Jetzt ist das Studium endlich erfolgreich abgeschlossen. 5 Jahre habe ich darauf hingearbeitet. Ach was sag‘ ich. Mindestens 7 Jahre. Und wenn man dazuzählt, dass ich schon in meiner Schulzeit wusste, dass ich studieren will dann noch weit länger. Und so sehr ich mir diesen Tag auch herbeigesehnt hatte, so sehr graute es mir auch davor. Denn auf die immer wiederkehrende Frage: „Was machst du danach?“, habe ich bis heute noch keine Antwort.
Nach meiner allerletzten Prüfung im Herbst, bin ich erstmal für sechs Wochen mit meinem Freund nach Neuseeland geflogen. Das war eine wirklich sehr gute Entscheidung. Die ersten vier Wochen haben wir kein einziges Mal über unsere Zukunftsperspektiven, unseren Master oder irgendwelche Pläne gesprochen es sei denn es ging um das Mittagessen oder eine Wandertour für den nächsten Tag. Das war wirklich Balsam für meine Seele nicht ständig mit dieser Frage „Was kommt danach?“ konfrontiert zu werden. Stattdessen stopften wir uns mit allerlei Eindrücken voll und lenkten uns bewusst von allem ab was existentielle Züge annehmen könnte.
Nach vier Wochen war es dann so weit. Tagelange Regenperiode. Keine langen Wanderstrecken in der Nähe. Keine erschwinglichen Attraktionen. Stattdessen ein behagliches kleines Zimmer und viel Zeit zum Nachdenken. Ich muss sagen die darauffolgenden Tage empfinde ich im Nachhinein tatsächlich als das schönste Erlebnis in Neuseeland, weil wir zu zweit so verrückte Pläne für unsere Zukunft schmiedeten und so voller Euphorie und Tatendrang waren, dass ich vollständig davon überzeugt war wir könnten alles, wirklich ALLES erreichen was wir uns vornahmen. Das war das allerschönste Gefühl.
Natürlich sieht die Realität dann ganz anders aus. Plötzlich bist du wieder zu Hause und äußere Zwänge von denen du denkst, du hättest sie abgelegt, schleichen sich wieder nach und nach in deinen Kopf. Bestes Beispiel dafür war eine Begegnung mit einer ehemaligen Klassenkameradin von mir. Ich war gerade auf dem Weg zur Arbeit. Ich habe einen Minijob als Pizzalieferantin und der Job gefällt mir. Extrem flexible Arbeitszeiten, super nette Leute und die meiste Zeit fährt man mit dem Fahrrad durch die Gegend und kann seinen Gedanken nachhängen.
Meine Klassenkameradin war hoch schwanger und erzählte mir von ihrem supertollen, flexiblen Job bei AIDA, bei dem man Homeoffice machen kann und gut verdient. Ich freute mich für sie und dachte kurz darüber nach, ob das wohl auch etwas für mich wäre. Im Austausch erzählte ich ihr von meinem Job und naja was soll ich sagen, sie lachte mich spontan aus. Und ich erinnere mich noch ganz genau an den Blick und das hohe verächtliche Lachen. „26 ,abgeschlossenes Masterstudium und arbeitest als Pizzalieferantin?“ Sie hat es nicht ausgesprochen, aber genau das kam bei mir an. Und ich ärgerte mich darüber, weil es so viel Anklang darin fand was ich selbst über mich dachte.
Einer der Pläne den wir in Neuseeland schmiedeten, war auch einen eigenen Blog zu starten. Nicht unbedingt um Geld zu verdienen, sondern um sich nicht so extrem anonym zu fühlen. Um eine Leitung in die Welt zu haben und ja wenn es uns Spaß machen würde und Anklang fände vielleicht auch ein Nebeneinkommen zu generieren. Und just in dem Moment als ich darüber nachdachte eine DIY-Sparte hinzuzufügen, kamen mir die ganzen Urteile, Meinungen und gesellschaftlichen Ideale wieder in den Sinn. Meine ehemals beste Freundin sagte mal zu mir, ich könnte niemals als Designerin arbeiten, weil ich nie eigene Ideen hätte und man etwas super originelles noch nie Dagewesenes erschaffen müsste. Und dann die Absage der Kunsthochschule an der ich mich beworben hatte nach dem persönlichen Gespräch. Die allgemeine Meinung, dass man unglaublich gut und perfekt sein müsse, um wirklich erfolgreich mit dem zu sein was man tut.
Ist das wirklich so?
Ich wünschte ich könnte dieses Gefühl, dass ich damals in Neuseeland hatte einfach zurückholen. Und voller Enthusiasmus und Tatendrang anfangen meine Pläne umzusetzen, ohne diese blockierende Angst vor dem Scheitern.
Auf einer meiner Reisen erzählte mir auch einmal jemand, dass das wohl etwas „typisch Deutsches“ sei. In Amerika sei es eher ein positives Zeichen wenn jemand viele verschiedene Dinge getan hätte und wenn man sich nach dem Scheitern wieder aufrappelt und etwas Neues macht.
Genauso deutsch ist wohl auch die ständige Fokussierung auf die negativen Dinge im Leben. Mein Vater und ich haben das auch schon oft diskutiert, dass es doch wirklich dumm sei, die vermeintlich schlechten Begebenheiten und Möglichkeiten immer stärker zu gewichten als die positiven. Wenn ich jemandem erzähle, dass ich mich selbstständig machen will, kommt immer zuerst der Satz: „Dann arbeitest du auf jeden Fall selbst und ständig“ aber nie „Super Idee, dann kannst du dich permanent weiterbilden und neu erfinden.“
Um diesen Teufelskreislauf zu unterbrechen, habe ich mir vorgenommen diesen Artikel mit positiven und motivierenden Worten zu beenden, denn die Welt steht mir offen. Ich kann alles tun was ich möchte und ich habe viele Menschen, die mich lieben, hinter mir stehen und mir immer wieder bestätigen, dass ich liebenswert bin. Das sollte sehr viel mehr zählen als irgendeine Klassenkameradin, die man irgendwann mal getroffen hat oder eine ehemalige Freundin, zu der man nicht einmal mehr Kontakt hat oder ein Hochschulkomitee, dass fünf Minuten Zeit hatte einen kennen zu lernen.
In diesem Sinne, sei mutig, habe viele Träume und zelebriere dein Leben! 😉
Liebe Grüße an alle Zerdenker, Querdenker und Umdenker.